Die Burg Plesse

Die Burg Plesse, auch Plesseburg oder Ruine Plesseburg genannt,ist eine mittelalterliche Burgruine die urkundlich das erste mal 1015 erwähnt wurde.


In seiner berühmten posthum verfassten Lebensgeschichte über den Paderborner Bischof Meinwerk – der „Vita Meinwerci episcopi Patherbrunnensis“ – berichtet Abt Konrad von Abdinghof des Paderborner Klosters Abdinghof um 1160, dass der Bischof Meinwerk am 15. September 1015, dem Tag der Weihe der Domkirche zu Paderborn, seiner Kirche die Burg Plesse aus seinen Immedinger Erbgütern im Stammesherzogtum Sachsen übertragen habe. Weiter erhielt danach die Bischofskirche tausendeinhundert Hufen unter dem Vorbehalt, dass von einem Teil dieser Güter, deren Genuss seiner Mutter auf Lebenszeit verbleiben sollte, neue Kirchen zu stiften seien.

Heinrich der Löwe beherrschte das geschichtliche Interesse in einem Maße, dass Parteigänger und Gegner wie die Grafen von Winzenburg lange Zeit nicht hinreichend zur Geltung kamen. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts – in nur zwei Generationen – gelang ihnen ein machtpolitischer Aufstieg, ehe ihre Bedeutung wieder erlosch. Hermann I. von Winzenburg (* um 1083; † 1138), Graf von Formbach und Vogt von Stift Göttweig, scheint durch seine Mutter Mathilde von Reinhausen in Südniedersachsen zu erheblichen Besitzungen gekommen zu sein.

Ein Vorteil den seine Söhne Hermann II. von Winzenburg (* 1110; † 1152) und Heinrich von Assel (* 1115; † 1146) geltend zu machen wussten. Diese zweite Winzenburger Generation gehörte zeitweilig zu den starken Gegnern des Welfenherzogs und erbaute möglicherweise zwischen 1122 und 1128 auf Paderborner Gebiet die Burg Plesse.

Im Vergleich zu Urkunden und anderen Quellen über die spätere Herrschaft Plesse, sind nur wenige verlässliche Daten zur Geschichte der hochmittelalterlichen Burg vorhanden. Wie für die meisten Burgen aus früher Zeit ist auch für die Plesse das Gründungsdatum nicht überliefert.

Die Burg wurde mehrfach verändert. Allerdings sprechen burgen-baugeschichtliche Fakten dagegen, dass die Anlage – so wie wir sie kennen – schon im Jahr 1015 errichtet war. Vielleicht wusste Abt Konrad von Abdinghof jedoch mehr als wir heute belegen können, nämlich dass es schon zu Zeiten Bischof Meinwerks einen Vorgängerbau an jener Stelle gab, „urbs, qui Plesse dicitur“.

Hermann I. von Winzenburg war vorübergehend Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen. Er gehörte nicht nur zum engsten Gefolge König Heinrich V. (HRR), sondern man muss ihn auch als einen aggressiven Fehdetyp und Machtmenschen bezeichnen.

So ließ er beispielsweise Burchard I. von Loccum – einen Vertrauten von König Lothar III. (HRR) – wegen eines Streites über einen Burgenbau umbringen. Auf dem Fürstentag zu Quedlinburg vom 18. August 1130 wurde Hermann I. von Winzenburg deswegen verurteilt. Seine Reichslehen, die Landgrafschaft Thüringen und die Markgrafschaft Meißen, wurden konfisziert. Auch das Bistum Hildesheim entzog ihm das Lehen an der Winzenburg und den ihr zugehörigen Gütern. Deswegen setzte der Geächtete dem König und den Fürsten hartnäckigen Widerstand entgegen. Er verschanzte sich in der Winzenburg für längere Zeit gegen ein wider ihn ausgesandtes Heer und ergab sich erst am 31. Dezember 1130.

Die Winzenburg wurde geschleift und Hermann I. musste sich dem König zeitweilig als Gefangener auf der Blankenburg (Harz) stellen. In der Zeit, als sein Vater in Ungnade gefallen war, zog es seinen Sohn Hermann II von Winzenburg ins Rheinland, wahrscheinlich Mainz. Dort hielt er sich solange auf, bis sein Vater aus der Acht gelöst wurde.

Hermann der I. von Winzenburg wurde ab 1134 vom König mit Verteidigungsaufgaben im Norden beauftragt und starb als Festungskommandant in Segeberg (Holstein) 1137/38. Geboren war er ca. 1083 in Formbach, Bayern als Sohn der Gräfin Mathilde von Reinhausen und des Grafen Hermann von Formbach und Windberg, der ein Sohn Meginhard IV von Formbach und Windberg war. Sein fälschlich von vielen Historikern angegebenes Todesdatum 1122 bezieht sich auf seinen Vater, Hermann von Formbach und Windberg und seinen Oheim, den Grafen Hermann III von Reinhausen, die beide im selben Jahr in Formbach starben.

Nach dem Tod seines Oheims Hermann III von Reinhausen im Jahr 1122, trat Hermann I von Winzenburg, als Rechtsnachfolger, das Erbe der Grafen von Reinhausen an. Dazu gehörte das Gaugrafenamt im Leinegau und das Hauskloster Reinhausen.

Damit war Hermann I. von Winzenburg zwar vorerst geschwächt und neutralisiert, aber weder wirtschaftlich noch politisch vernichtet und offensichtlich hielten seine Brüder zu ihm. Auch die Burg Plesse blieb ihm erhalten und sie scheint in dieser Schwächephase die ihr zugedachte Rolle als strategischer Winzenburger Stützpunkt im oberen Leinetal erfüllt zu haben. Denn in einer Schenkungsurkunde, die im Sommer des Jahres 1139 von König Konrad III. in Hersfeld zu Gunsten des Klosters Volkenroda ausgestellt wurde, nennt der Winzenburger sich „Hermannus comes de Plessa“ und auch sein Bruder Heinrich von Assel wird in der Regeste zu einer Urkunde des Erzbischofs Heinrich I. von Mainz aus dem Jahr 1144 als „Heinrich von Plesse“ bezeichnet.

Überhaupt verhalfen die veränderten politischen Verhältnisse Hermann II. von Winzenburg, acht Jahre nach der Verurteilung seines Vaters, das Blatt zu wenden. Schnell rückte er seit dem Jahre 1138 wieder in geachtete Stellung auf, gewann die Gunst König Konrad III. und wurde abermals Mainzer Vasall.

Am Beispiel der Burg Plesse wird deutlich, dass man im 12. Jahrhundert noch keine Familiennamen kannte. Wer sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr genauer identifizieren musste, fügte seinem Vornamen einen Beinamen hinzu. Angehörige des Adels erschienen in Urkunden meistens mit dem Ortsnamen ihrer Besitzung und wenn sie über mehrere Güter verfügten, wechselten sie je nach Sachverhalt die Zubenennung. Auch der Begriff familia war weiter als heute gefasst. Zu ihr gehörte die gesamte väterliche und mütterliche Verwandtschaft einer Person.

In einer Liste von Lehnsleuten des Klosters Corvey, die auf die Jahre 1107–1128 zu datieren ist, erscheint ein „Ropertus de Blessen“, der 1138 in einer Urkunde des Erzbischofs Adalbert II. von Mainz für das Kloster Fredelsloh als „Rubertus prefectus castelli Plesse“ und 1139 in einer Beurkundung für das Kloster Katlenburg als „comes castelli de Plesse Ropertus“ bezeichnet wird.

Ropertus (Robert) gehörte dem edelfreien Geschlecht derer von Eberschütz-Schöneberg an, das Besitzungen bei Hofgeismar hatte. Unter den Zeugen in jenen beiden Urkunden rangiert Robert von Plesse diplomatisch nach Graf Hermann II. von Winzenburg, der in der Region um Hofgeismar ebenfalls über Eigengut und Grafenrechte verfügte.

Da Robert von Plesse und sein Bruder Konrad besonders in Urkunden auftauchen, in denen Hermann II. von Winzenburg und seine näheren Verwandten in Erscheinung treten, ist ein enges Verhältnis dieses Geschlechtes zu den Winzenburgern anzunehmen. Jedenfalls hat wohl Robert von Plesse die Burg Plesse bis vor dem Jahre 1150 im Auftrage der Winzenburger befehligt.

Im Jahre 1536 wurde in der Herrschaft Plesse, zu der die umliegenden Dörfer gehörten, die Reformation eingeführt. Sie hatte schon zu Beginn durch den aus den Niederlanden geflüchteten Theologen Petrus Noyen van Weert (Wertheim), der von 1536 bis 1540 als Prediger auf der Plesse wirkte, einen reformierten Akzent.

Nachdem jedoch Martin Luther persönlich in einem von Dietrich III. von Plesse angeforderten Gutachten die Lehre des Niederländers als „nicht recht“ beurteilt hatte, kam die Herrschaft Plesse unter den Einfluss einer, von Göttingen her, lutherisch geprägten Theologie.

Mit Dietrich IV. von Plesse starb 1571 der hier ansässige Stamm derer von Plesse aus. Eine Mecklenburger Linie des Geschlechts „von Plessen“ besteht bis heute.

Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel übernahm die Herrschaft Plesse als heimgefallenes Lehen. Durch Landgraf Moritz von Hessen-Kassel wurde 1614 in der Herrschaft Plesse das reformierte Bekenntnis durchgesetzt.

In den Jahren 1623/24 hielt sich dieser auch mit seiner Familie mehrfach auf der Burg auf. Nach einer Belagerung 1627 wurden Burg und Herrschaft Plesse vorübergehend an den Landgrafen Georg II. von Hessen-Darmstadt abgetreten. 1660 wurde die Burg endgültig aufgegeben und diente fortan den Einwohnern der umliegenden Dörfer durch Steinabbruch als Baumaterial.

Johann Wolfgang von Goethe besuchte die Burg Plesse im Jahre 1801. Nach der französischen Besetzung im Jahre 1807 wurde die Herrschaft zum Kanton Bovenden im Königreich Westphalen übertragen. Nach dem Zusammenbruch des Königreichs Westphalen im Jahre 1813 übernahm das Kurfürstentum Hessen wieder die Herrschaft Plesse. Durch einen Tauschvertrag zwischen Preußen, dem Königreich Hannover und Kurhessen fiel die Herrschaft Plesse jedoch am 1. Mai 1817 an das Königreich Hannover.

Ab 1821 wurden erste Restaurierungsarbeiten auf der Burg Plesse vorgenommen und in den Jahren 1853 bis 1864 wurde auf Initiative des hannoverschen Königspaares die Burg umfassend restauriert.

Weitere Arbeiten folgten 1909. Im 19. Jahrhundert war die Plesse ein beliebtes Ausflugsziel der Göttinger Studenten, dies auch, weil die Herrschaft Plesse aufgrund der Zugehörigkeit zu Hessen für das hannoversche Göttingen wie zollfreies Ausland behandelt wurde und dadurch günstigere Kaufpreise bot.

Die einstige Zugehörigkeit der Herrschaft Plesse zu Hessen, hat – in kirchlicher Hinsicht – bis heute Spuren hinterlassen. Die evangelischen Gemeinden in den Plessedörfern Bovenden, Eddigehausen, Angerstein, Reyershausen, Spanbeck, Oberbillingshausen und Holzerode gehören anders als die anderen Orte Südniedersachsens nicht zur Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, sondern zur evangelisch-reformierten Kirche.

Plesse ist ein Flurname, der im oberen Leinetal von alters her bekannt ist. Der Name Plesse, der für Blässe (Farblosigkeit) steht, stammt wahrscheinlich von dem hellen Felssporn, auf dem die Burg steht. Der Platz der Burg war schon in der älteren vorrömischen Eisenzeit (8.–6. Jahrhundert v. Chr., mit einem in Lehm gesetzten Mauerzug) besetzt. Abt Konrad von Abdinghof beschrieb um 1160 den Standort der Burg mit „sitam in loco, qui Plesse dicitur“ („Die Stadt liegt an einem Ort, der Plesse genannt wird“). Bei der 1983 im Inneren der Burgkapelle St. Peter und Paul durchgeführten Ausgrabung konnte nachgewiesen werden, dass auf die eisenzeitliche Topographie eine mittelalterliche Vorgängeranlage gesetzt wurde, die von der Burg aus der Zeit um 1200 überformt wurde.

Die Burg ist eine im Bruchsteinbau errichtete Höhenburg.


Burg Plesse liegt nordöstlich von Göttingen

Seit 1945 befindet sie sich im Eigentum des Landes Niedersachsen, seit 1978 steht sie unter Denkmalschutz.







Standort:
Ritterstieg
37120 Bovenden bei Göttingen

Koordinaten: 51.597545, 9.965614

Zustand: Ruine
Burgtyp: Höhenburg
Lage: k.A. m ü. NN
Begehbar: ganzjährig
Öffnungszeiten: k.A.
Nutzung: k.A.
Karte:


Erstmals erstellt: 3.07.1998 Letzte Änderung:
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