Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten
Die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (schweizerische Fassung: Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten
(französisch: "Convention pour la protection des biens culturels en cas de conflit armé"; englisch: "Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict")
ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der 1954 mit dem Ziel abgeschlossen wurde, Kulturgut während eines Krieges oder bewaffneten Konfliktes vor Zerstörung oder Beschädigung
sowie Diebstahl, Plünderung und anderen Formen einer widerrechtlichen Inbesitznahme zu schützen.
Kulturgut ist definiert als „bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe der Völker von großer Bedeutung ist“.
Hierzu zählen als bewegliche Kulturgüter beispielsweise Gemälde, Skulpturen, archäologische Funde, Bücher, Manuskripte und Archivalien.
Als unbewegliche Kulturgüter gelten neben Denkmälern vor allem Gebäude wie Museen, Bibliotheken, Archive und Bergungsorte, die der Ausstellung, Nutzung, Verwahrung und dem Schutz
von beweglichem Kulturgut dienen.
Denkmalzentren als Orte von größerem Ausmaß, die in beträchtlichem Umfang Kulturgut entsprechend der vorherigen Definition aufweisen, werden ebenfalls als schutzwürdig betrachtet.
Die Bestimmungen der Konvention von 1954 wurden ergänzt und präzisiert durch zwei 1954 und 1999 abgeschlossene Protokolle. Alle drei Abkommen sind Teil des humanitären
Völkerrechts, zu dem in Form weiterer Abkommen vor allem Regelungen zählen, welche die zulässigen Mittel und Methoden zur Kriegführung definieren sowie den weitestmöglichen
Schutz der nicht an den Kampfhandlungen beteiligten Personen zum Ziel haben.
Im Gegensatz zu diesen Teilen des humanitären Völkerrechts entstanden die Abkommen zum Kulturgutschutz unter Federführung der Vereinten Nationen (UN), für die Verbreitung und
die Überwachung der Einhaltung ist die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) hauptverantwortlich.
Neben Regeln, die unmittelbar während eines bewaffneten Konfliktes den Schutz und die Respektierung von Kulturgut gewährleisten sollen, ergeben sich aus diesen Abkommen auch
Sicherungsmaßnahmen, die in Friedenszeiten umzusetzen sind.
Mit Stand vom Juni 2018 sind 132 Staaten Vertragspartei der Haager Konvention von 1954, den Protokollen von 1954 und 1999 sind 109 beziehungsweise 77 Staaten beigetreten.
Im Bereich der internationalen Koordination hinsichtlich militärischer und ziviler Strukturen zum Schutz von Kulturgut ist Blue Shield International mit Sitz in Den Haag tätig.
Die Leitgedanken der Konvention sowie die Motivation für ihren Abschluss, ihre Verbreitung und ihre Respektierung sind zusammengefasst in der Präambel, die unter anderem besagt,
„… dass jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet …“
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Konvention mit Gesetz vom 11. April 1967 zugestimmt.
Dieses Gesetz führen grundsätzlich die Länder im Auftrag des Bundes aus. Auch die Maßnahmen zum Schutz von Kulturgut richten sich nach diesem Gesetz (§ 25 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz – ZSKG).
Für „die Verpackung, Dokumentation, Einlagerung und Aufbewahrung von Sicherungsmedien an einem zentralen Bergungsort“ ist nach der Gesetzesfassung
vom 19. Juni 2020 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuständig.
Das BBK hat außerdem Hinweise für das Anbringen des Kennzeichens des Abkommens erarbeitet.
Das BBK fungiert als Nachfolgeorganisation des Bundesamts für Zivilschutz, dem diese Aufgaben mit dem Gesetz vom 11. April 1967 zunächst übertragen worden waren.
Auf privatrechtlicher Ebene gibt es seit 1996 die Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz, die aus dem Zusammenschluss von zwei 1993 entstandenen Vereinigungen hervorgegangen ist.
Die Gründung eines Nationalen Komitees vom Blauen Schild in Deutschland ist in Vorbereitung.
Über die Anerkennung eines Kulturgutes als schützenswert, und damit die Berechtigung zum Anbringen des Schutzzeichens, wird eine Urkunde ausgestellt.
Diese enthält Auszüge aus dem Text der Konvention in deutscher, englischer, französischer und russischer Sprache.
Die nationale Rechtsgrundlage in Deutschland für eine Strafverfolgung von Verstößen gegen die Prinzipien der Haager Konvention von 1954 besteht in § 11 Abs. 1 Nr. 2 des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB).
Danach wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft, wer mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, die durch das humanitäre Völkerrecht besonders geschützt
sind, namentlich geschichtliche Denkmäler.
Die Kennzeichnung von Kulturgut mit dem einfachen Schutzzeichen der Konvention ist bisher nur in den Ländern Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie, auf Grund der Dritten Durchführungsbestimmung
zum Denkmalpflegegesetz der DDR von 1975, in den ostdeutschen Bundesländern weit verbreitet.
Die in letzterem Bereich häufig verwendete Kennzeichnung, eine kleine Emailtafel auf der das Symbol der Haager Konvention in einem Kreis und einer weiteren Rahmung wiedergegeben ist, entspricht
allerdings nicht mehr den vom BBK erlassenen Vorschriften für die Gestaltung und die technische Anbringung der Beschilderung.
Für die Archivierung von Reproduktionen von Kulturgut mit hoher national- oder kulturhistorischer Bedeutung existiert der Barbarastollen bei Oberried in der Nähe von Freiburg im Breisgau
als „Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland“.
Seit dem 22. April 1978 unterliegt der Barbarastollen als bisher einziges Objekt in Deutschland dem Sonderschutz des Abkommens von 1954.
Eine Reihe von bedeutenden Museen und andere Einrichtungen wie beispielsweise die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main sind mit dezentralen Bergungsräumen ausgestattet.
In der DDR wurde ab dem Beginn der 1970er Jahre ein in den 1940er Jahren errichteter und nachträglich mit Laboren und Klimatisierung ausgestatteter Bunker in der Nähe von Potsdam als
zentrales Archiv für Mikrofilmaufnahmen von wichtigen Kulturgütern genutzt, nachdem sich die für eine dezentrale Lagerung genutzten Räumlichkeiten als unzureichend hinsichtlich der Langzeitstabilität erwiesen hatten.
Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 sichtete man schrittweise die Bestände und überführte sie an die entsprechenden bundesdeutschen Behörden.
Bisher wurden rund 32.000 Kilometer Mikrofilm (über eine Milliarde Aufnahmen) hergestellt und eingelagert.
Darin enthalten sind 8,2 Millionen Meter (rund 244 Millionen Aufnahmen) aus dem Archiv der ehemaligen DDR.
Um Missbrauch des Schutzes zu verhindern, hat die Kultusministerkonferenz der Länder in ihrem Beschluss vom 26. Juni 1998 für jedes Bundesland die maximal zulässige Anzahl an
unbeweglichen Kulturgütern, die unter Schutz der Haager Konvention gestellt werden können, festgelegt.
Die Gesamtzahl für Deutschland liegt bei 10.480, Denkmäler der Vor- und Frühgeschichte sowie alle Museen, Bibliotheken und Archive dürfen zusätzlich gekennzeichnet werden.