Der Klosterschatz der Abtei St. Maximin (Kloster des heiligen Hilarius)

Die Reichsabtei St. Maximin (Kloster des heiligen Hilarius) hatte wie alle Abteien unter den Vermögensverlustängsten durch die Besetzung Frankreichs zu kämpfen.

Im Mai 1792 ließ daher der Trierer Kurfürst nach der Kriegserklärung Frankreichs vom 20.April 1792 und dessen Angriff auf die Habsburger Niederlande nicht nur seine eigenen Wertgegenstände und Kunstschätze, sondern auch die verschiedener Trierer Klöster und Stifte auf die Festung Ehrenbreitstein schaffen.

Um zu zeigen wie mit dem Vermögen verfahren wurde, ist in dieser Zeit auch der Erwerb zweier Häuser in der Coblenzer Clemensstadt vor 1790 durch Abt Wittmann, die gegen jeweils jährlich 200 fl. an zwei Räte des Kurfürsten verpachtet waren. Nach der Besetzung der Stadt durch die französischen Truppen wollte sie 1797 die Abtei wegen ihrer wirtschaftlichen Notlage unbedingt verkaufen. Dies gelang ihr auch, doch fiel der Erlös hieraus wegen des über das Kloster verhängten Sequesters an die französische Verwaltung.

In der Geschichte des Klosters wurde angenommen, dass sich unter den Verwahrungen auch die Handschriften und der Klosterschatz der Reichsabtei St. Maximin befunden haben. Diese seien auch im Sommer 1794 auf der Festung Ehrenbreitstein verwahrt gewesen, tauchten aber später in Mainz sowie im Besitz von Josef Görres auf.

Durch Quellen belegt werden konnte die Verwahrung des Klostersilber auf dem Ehrenbreitstein jedoch nicht die der Sakralobjekte, die sich noch im Sommer 1794 in der Abtei befanden, und ebenfalls nicht für die Handschriften der Abtei.

Dagegen hat schon Josef Kentenich 1907 auf den Transport größerer Mengen Fluchtgutes der Abtei im Sommer 1794 aufmerksam gemacht und daraus geschlossen, dass erst damals die Maximiner Handschriften transportiert wurden. Rätselhaft blieb für Kentenich jedoch, wie später Josef Görres in den Besitz zahlreicher dieser Codices kommen konnte.

Seit den Untersuchungen von Hans Wolfgang Kuhn über das Schicksal der Maximiner Handschriften dürfte feststehen, dass der Transport der Maximiner Handschriften in zwei Phasen erfolgte. Tatsächlich stellte die Abtei für ihre Verbringung nach Koblenz im Frühjahr 1792 eine Auswahl der älteren, freilich nicht der wertvollsten Handschriften zusammen, darunter zahlreiche Codices des 9. bis 11. Jahrhunderts.

Der Transport ging am 2.Mai 1792 unter der Begleitung des Mönchs Augustin Saarburg nach Koblenz ab. Jedoch wurden die Handschriften nicht auf der Festung Ehrenbreitstein, sondern zu Koblenz in der Rheinstraße 28, im Keller der Anna Katharina von Lasaulx, Witwe des geheimen Kurtrierer Rates Johann Claudius von Lasaulx († 1791) und Schwester des Augustin Saarburg, deponiert.

Unklar bleibt hierbei, ob die Festung durch anderes Fluchtgut überfüllt war, ob Augustin Saarburg hierbei eigenmächtig handelte oder ob dies den Absichten des Klosters entsprach, das seine Handschriften nicht dem Zugriff der Behörden des Erzstifts aussetzen wollte.

Einer der Söhne der Anna Katharina von Lasaulx war der 1813 verstorbene ehemalige Kurtrierer Regierungsrat Johann Adam von Lasaulx, der später in französischen Diensten mit der Übernahme der auf dem Ehrenbreitstein nach dessen Eroberung vorgefundenen Literalien beauftragt war.

Als Kinder hatte Johann Adam von Lasaulx den 1818 verstorbenen Franz von Lasaulx und Katharina von Lasaulx, die 1801 den aus ihrer Nachbarschaft stammenden, damals schon bekannten Journalisten Johann Josef Görres (1776–1848) ehelichte.

Die Reichsabtei St. Maximin (Kloster des heiligen Hilarius) wurde im Jahr 1802 aufgeboben.

Es bedarf daher kaum der bis 1985 teilweise phantasievollen Erklärungsversuche für die Tatsache, dass später Franz von Lasaulx als Besitzer von etwa 35 und Johann Adams Schwiegersohn Josef Görres als Besitzer von über 90 Maximiner Handschriften in Erscheinung traten.

Für die Vertreter der im 19. und teilweise noch im 20. Jahrhundert konfessionell und patriotisch bedingten Görresglorifizierung, die in Josef Görres eher den Retter dieser Codices vor dem zum notorischen Bücherdieb abgestempelten und für manche deutsche Handschriftenliebhaber als Alibi dienenden Jean Baptiste Maugérard und vor der von ihnen ebenfalls subsumierten zügellosen Zerstörungswut der Sansculotten sahen, war die widerrechtliche Aneignung dieser Handschriften durch die Familie von Lasaulx und ihre Verteilung unter ihre Mitglieder freilich unvorstellbar.

Sie vermuteten vielmehr, Josef Görres sei um 1799 nach der Kapitulation der Festung Ehrenbreitstein in den Besitz der Maximiner Handschriften gelangt, doch seien ihm aus diesem Fonds wertvolle Codices entwendet worden. Doch scheint Josef Görres auch bei der Aneignung anderer Kunstschätze nicht zimperlich gewesen zu sein, wie sein Streit um 1832 mit der Pfarrei Kues wegen deren früherem Altarbild zeigt.

Während Franz von Lasaulx seinen sich nun in der Universitätsbibliothek Gent und in der königlichen Bibliothek zu Brüssel befindlichen Anteil an den Maximiner Handschriften bald veräußerte, behielt Josef Görres seine nun durch zahlreiche Himmeroder Codices vermehrte Beute auch nach seinem unfreiwilligen Ortswechsel 1819 von Koblenz nach München.

Verwandtschaftliche Querverbindungen bewirkten, dass er sie damals im Koblenzer Stadthospital, zeitweilig auch in einem Verschlag im Koblenzer Rathaus und schließlich im Koblenzer Gymnasium deponieren ließ.

Gleichsam als Bestätigung von Josef Görres Verschleierungsbemühungen tauchte 1894 auf einem Speicher der von der Kommunalverwaltung genutzten Koblenzer „Alten Burg“ ein Ende des 8. Jahrhunderts geschriebenes, durch Mäusefraß und Feuchtigkeit erheblich beschädigtes Neues Testament St.Maximiner Provenienz auf, das 1832 Dronke noch im Besitz von Josef Görres erwähnt hatte, es aber bei der Handschriftenversendung nach München nicht mehr hatte finden können.
Es wurde um 1900 von der Staatlichen Akademie in Braunsberg in Westpreußen erworben, war nach 1945 zunächst verschollen und befindet sich nun in Warschau.

Diese Handschriften in Koblenz wurden erstmals 1832 von dem damaligen Gymnasialbibliothekar Ernst Dronke noch unter Vermeidung des Namens ihres Besitzers katalogisiert (Index librorum manu scriptorum qui adservantur in bibliotheca gymnasii regii Confluentini).

1844 ließ sich Josef Görres neben einigen Himmeroder Handschriften etwa 60 der älteren und wertvolleren Maximiner Codices nach München schicken und schenkte den Rest, etwa 30 überwiegend neuere Manuskripte, die er zunächst vergeblich dem Trierer Bischof zum Kauf angeboten hatte, dem heutigen Görresgymnasium in Koblenz. Dieses deponierte im 20. Jahrhundert die für die Geschichte der Reichsabtei St. Maximin aufschlussreicheren Bände im Landeshauptarchiv Koblenz.

Josef Görres Erben dürften zu München schon bald einige Maximiner Handschriften veräußert haben, etwa den Codex mit dem älteren Maximiner Necrolog. Schließlich brachten sie 1902, nachdem sie kurz zuvor nochmals sieben Handschriften separat verkauft hatten, 94 Codices zur Versteigerung. Von ihnen erwarb im April 1903 die königliche Bibliothek zu Berlin 64 Codices, darunter 42 aus der Maximiner Bibliothek, während die 30 anderen Bände größtenteils in private Hände fielen. Unter ihnen befand sich auch die bekannte Maximiner Beda-Handschrift, die zunächst an die Schlossbibliothek in Hohenaschau, Oberbayern, dann 1956 nach Amerika verkauft und 1989 vom Land Rheinland-Pfalz für 3 700 000 DM erworben wurde.

Während jedoch die Standorte von schätzungsweise 85% der 1792 Transportierten und der Familie von Lasaulx in die Hände gefallenen Codices heute nachgewiesen werden können, fällt diese Quote für die im August 1794 dem Archiv und den Wertsachen der Reichsabtei St. Maximin mitgegebenen Handschriften wesentlich geringer aus. Bei diesem Transport sind sowohl der ursprüngliche Zielort wie seine Modalitäten nicht bekannt.

Es bleibt ungewiss, ob ihn der Klosterbibliothekar Sandrat Müller von Beginn an begleitet hat und ob zunächst an seine Unterbringung in der Propstei Schwabenheim gedacht war, die im Herbst 1794 wegen des Vorrückens der französischen Truppen illusorisch geworden wäre. Es ist anzunehmen, dass sich das Fluchtgut ab Spätherbst 1794 bei dem Aufenthaltsort des Konvents zu Aschaffenburg befand.


Quellen:
Denkwürdiger und nützlicher rheinischer Antiquarius. Mittelrhein
Defensio Abbatiae imperialis S. Maximini





Erstmals erstellt: 3.05.1999 Letzte Änderung:
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